Schrankwand
Ein Blitz! Dann Stille. Gerd kauerte in der Nische einer Kiefernschrankwand. Sein Herz pochte Tango Mortale. Die letzten Minuten hatten ihm hart zugesetzt und bei dem Gedanken, daß noch weitere Minuten folgen würden, nässte ihm der Schritt. Im Augenblick war es ruhig. Kein ohrenzerberstendes Kratzen mehr auf dem Marmorfußboden. Die schrillen Schreie hinter der Vorratskammertür waren verstummt. Gerd hatte das Gefühl, ein Zaunkönigsweibchen aus der grundstücksbegrenzenden Buchsbaumhecke vernehmen zu können. Es war fast ein wenig idyllisch. Doch dann das Inferno. Eine Feuerwand schob sich durch die Wohnzimmertür, machte vor ihm halt und schwärzte die Decke. Kleine, zahnstochergroße Pfeile schlugen unter ihm in der Schrankwand ein. Eine mittelalterliche Wurfaxt streifte sein Knie und bohrte sich in ein Jamie-Oliver-Kochbuch. Piranhaartige Haareidechsen hatten sich in seinen Schuhen festgebissen. Das Ganze glich plötzlich einer äußerst prikären Situation. Gerd schloß die Augen und wünschte, er würde träumen. Ein Blitz! Dann Stille. Gerd hatte geträumt. Schwitzend betrachtete er seine zitternden Hände. Sein Blick fiel auf das Jamie-Oliver-Kochbuch vor ihm. Gerd kauerte in der Nische einer Kiefernschrankwand. Sein Herz pochte Tango Mortale. Er schloß die Augen und dachte an russische Senfeier.
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Wunderbare Welt
Wie wunderbar diese Welt ist... Da sitze ich, schlummernd, in einem Restaurantgastwirtschaftsbetrieb und versüsse die angearbeitete Freizeitluft mit meiner Anwesenheit. Gutes ahnend. Plötzlich durchstreift ein Hauch von Rosettenparfum die angenehme Frittenluft. Kaum umgeschwenkt, erkenne ich auch schon, was mich aus meinem porzellanernen Sekundenschlaf gerissen hat. Eine Dame. Mäßig bekleidet. Sie umkreist den wirtschaftenden Restauranttisch vor mir in liebreizendem Tempo. Meine rasante Auffassungsgabe bescheinigt mir, was ich mir schon dachte. Die Dame buhlt um Aufmerksamkeit. Ich hatte mir schon gestern vorgenommen, auf solche plumpen Anmachversuche nicht zu reagieren. Doch die Lady liess nicht locker. Sie liess fest. Und zwar fallen. Einen großen Haufen. Direkt vor meinen Schuh. Den linken. Anmutig hob sie ihn auf und legte ihn neben die Geranien auf die Fensterbank. Dieses Verhalten überraschte mich abrupt. Doch um ihr meine Anerkennung zuteil werden zu lassen, blieb keine Zeit. Schon hatte sie sich einer neuen, mich wahrhaft schockierenden Tätigkeit zugewandt. Ohne zu zögern entblößte sie ihre Zähne und legte eine umwerfende Amalgamlandschaft frei, die zu Höherem berufen schien. Der Schrei Glückseligkeit blieb mir im Halse stecken. Ein Wimpernschlag meinerseits hatte gereicht, das scheue Geschöpf zu verängstigen, und wie eine Wetterleuchte an einem frühsommerlichen Ostermontag hatte sie sich ins Dickicht der Restaurantgastwirtschaftsküche geschlagen. Mir blieb nur die Erinnerung an eine elfenartige Gestalt und ihren engelsgleichen Kackhaufen. Ich erhob mich in die Lüfte und umflog innert zweier Dekaden fünfmal diese wunderbare Welt...
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Die Pupsmaschine
Groß und glänzend. Das war der erste Gedanke, der sich durch Emilys Gehirnwindungen robbte. Eine schöne Apparatur, die da von Professor Hayduk präsentiert wurde. Ehrwürdig hatte er ein weißes Laken von der Maschine gezogen, um sein neuestes Produkt dem interessierten Publikum zu offenbaren. Emily war noch völlig paralysiert, als sie von der Seite angesprochen wurde. Owen hatte sie mit einem breiten Grinsen gefragt, ob sie sich nicht bereiterklären wollte, als Erste diese einmalige Sensation zu testen. Plötzlich schienen alle anwesenden Augen auf sie gerichtet zu sein. Und auch Professor Hayduk streckte ihr schon die Hand entgegen, um ihr den Aufstieg auf das kleine Podest zu erleichtern. Emily war nicht in der Lage, sich zu wehren. Wie unter Hypnose schwebte sie in Richtung des metallischen Apparats. Hayduk nahm ihre Hand und führte sie zu der kleinen Sitzfläche, die sich im Zentrum der Maschine befand. Emily setzte sich und versuchte, die unendlich vielen verschiedenen Knöpfe und Drähte zu begreifen, die um sie herum leuchteten. Sie hatte kurz den Eindruck, in einer Spielhölle zu sein, den Fuß schon am Gaspedal des Autorennautomaten. Doch im nächsten Moment holte sie die Realität wieder ein.
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Neujahrsgeschichte
Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Mann namens Jochen nur kurze Zeit an dem Ort verweilte, an den es ihn nie hätte verschlagen dürfen. Man sprach von diesem Ort als einem, den die Hölle höchstpersönlich ausgespuckt haben mußte. Jochen war in Wuppertal. Und zwar in den Bahnhofskatakomben.
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Fahrstuhl-Verwirrung...
Vor einigen Tagen stund ich in einem Fahrstuhl und ließ mich befördern. Nach oben oder nach unten.. Ich weiß es nicht mehr - aber es tut auch nichts zur Sache. Die Sache ist nämlich die, daß sich mein Gedankenmaterial versteifte. Und zwar auf die Frage, warum ein Fahrstuhl Fahrstuhl heißt....? Bei genauerer Betrachtung entbehrt ein Fahrstuhl jeglicher Ähnlichkeit mit einem Stuhl - und hinsetzen konnte ich mich in dem Gefährt auch nicht.
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Eine Nacht auf dem Ponyhof..
Heute Nacht hab ich völlig unerwartet einen Ausflug gemacht. Ich dachte eigentlich, viel zu müde zu sein. Hatte mich ins Bett gelegt und die Äuglein geschlossen. Und dann war da plötzlich diese herrliche Idylle. Es roch nach Pferdescheiße und altem Lederimprägnat. Ich stand mitten auf einem Ponyhof. Mein langgehegter Mädchentraum war Wirklichkeit geworden.
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Besuch von der Katze
Es war ein ganz gewöhnlicher Abend. Ich hatte mich auf der Couch zurechtgelegt, mein perfekt gekühltes Bier stand vor mir auf dem Tisch und aus der Glotze kam Müll vom Vorjahr. Alles ganz normal. Doch etwas unterschied diesen Abend von allen vorherigen. Es klingelte an der Tür. Ich konnte es erst nicht begreifen und sprach das akustische Signal dem Fernseher zu. Doch dann wurde mir bewußt, daß ich zum ersten Mal das Jaulen meiner Tür zu hören bekam. So ungefähr mußte sich der Urmensch gefühlt haben, der das Feuer entdeckt hatte.
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Der kleine Mann und das Meer
Wenn ich groß bin, baue ich mir ein kleines Haus direkt am Meer. Da kann ich dann immer auf der Veranda stehen und hinaus aufs Meer gucken. Manchmal fliegt eine Möwe an mir vorbei und ruft mir ein fröhliches 'Fritz, ich mag dich!' zu. Dann nehme ich zufrieden einen Schluck Kaffee aus meiner Muscheltasse und denke darüber nach, in welche Richtung ich heute am Strand entlangflaniere. Ich entscheide mich für den Weg, der zum Leuchtturm führt und atme tief die frische Seeluft ein. Am Himmel über dem scheinbaren Ende des Meeres bilden sich kleine weiße Wölkchen, aus denen ich mit meinen Gedanken ein Gesamtbild meiner Wahl formen kann. Ich habe Lust auf Eis und komponiere mir leckerstes Eiskonfekt. Aus den Dünen zu meiner Rechten bellt ein Hund. Ich kann ihn verstehen, denn ich habe keine Sorgen. Er begrüßt mich und freut sich darüber, daß heute so ein schöner Tag ist, an dem er endlos die Dünen herunterrollen kann. Ich lächle und wünsche ihm viel Spaß. Meine Schuhe lösen sich in Nichts auf, weil sie es können und ich genieße, wie das warme Wasser meine Füße umspült. Vorsichtig steige ich über eine Gruppe frisch geschlüpfter Wasserschildkröten, die jubeln, weil sie zum ersten Mal Wasser riechen. Ihnen droht keine Gefahr, denn ich habe die Macht über alles, was geschieht. Vor mir entdecke ich den Leuchtturm. Heute ist er grün und gelb gestreift. Ich betrete den Turm und steige die hölzerne Wendeltreppe hinauf, bis ich die Spitze erreiche und sich mir ein endloser Blick über das Meer eröffnet. Ich atme noch einmal tief ein und verglühe dann im Wind, weil ich mich nicht freuen kann. Wenn ich groß bin, will ich nicht alleine sein.
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Nevada was?
Ich packe gleich meine Sachen und fliege nach Nevada. Ja, ich kann neuerdings fliegen. Ist ganz einfach. Man muß sich nur konzentrieren und gedanklich an einen Punkt zurückspulen, bevor man gesagt bekam, daß man nicht fliegen kann.
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Das Wartehäuschen am Rande der Welt
Wenn man einen ganzen Tag mit Warten verbringt, tut man einen Bruchteil seines Lebens nichts als ’Nichts’. Bezieht man dann noch mit ein, daß die Zeit beim Warten gefühlsmäßig wesentlich langsamer vergeht, können aus dem einen Tag schon mal zwei oder mehr Tage werden. Natürlich nur im eigenen Empfinden und nicht auf dem Kalender. Ich warte heute schon drei Stunden und habe damit vierzehn Tage meines Lebens verschwendet. Um die vergeudete Zeit wieder aufzuholen, müßte ich eine unbestimmte Menge an Endorphinen ausschütten, weil dann die Zeit schneller vergehen würde. Ich muß mich aber mit Warten aufhalten und habe somit keine Zeit, diese schneller vergehen zu lassen.
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Koma
Der Wagen ist einfach in mich reingerast. Ich habe ihn nicht kommen sehen. In dem Moment, als ich die Bremse bis zum Anschlag durchgetreten habe, gingen bei mir auch schon die Lichter aus.
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Eine Wischensaft für sich
Ich habe einen guten Freund, mit dem ich mich gerne treffe, um mich mit ihm zu unterhalten. Sein Name ist Jochen, und er leidet unter einer geringfügigen Störung des Sprachzentrums. So sieht er sich nicht in der Lage, ein scharfes 'S' zu artikulieren. Bei ihm wird es zu einem 'Sch'. Soll er jedoch ein 'Sch' über die Zunge bringen, kommt ein ordinäres 'S' dabei heraus.
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Tschelten am Mischischippi
Den letzten Sommerurlaub haben mein Kumpel Jochen und ich gemeinsam verbracht. Wir sind zusammen nach New Orleans geflogen und haben am Mississippi gezeltet. Eine Woche lang. Mehr Jahresurlaub stand Jochen nicht mehr zur Verfügung.
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Sbatschieren durch New Orleansch
Nach der ersten Nacht auf dem Zeltplatz am Mississippi, die sehr ruhig und erholsam verlaufen war, hatten mein Kumpel Jochen und ich uns vorgenommen, New Orleans zu erkunden.
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Mischischippiraddampfersifffahrt
Am zweiten Morgen auf dem Zeltplatz am Mississippi war ich schon früh wach. Ich lag in meinem Schlafsack, das Gesicht zur Zeltwand gedreht. Draußen zwitscherten Vögel. Im Schlafsack neben mir war mein Kumpel Jochen eingewickelt und redete im Schlaf. Ich vermutete, daß er dabei war, den Verlust seiner Gary Moore-Schallplatte zu verarbeiten, denn ich hörte ein gemurmeltes 'Mischt, Mischt, Mischt, Mischt'.
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Titel
Skarelorum...
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Titel
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